Archive für 18. November 2007

Essensausgabe

Sonntag, 18. November 2007

Ich wohne in einer unüberschaubar grossen Wohngemeinschaft und werde mir gewahr, dass ich Hunger habe, dass es vier Uhr morgens ist (was der ungefähren Traumzeit entspricht aber auch der Fluchtzeit in einem Artikel Herta Müllers in der NZZ – nur dass dort auffälligerweise „nachts“ steht), dass ich am Schluss einer langen Warteschlange stehe und dass ich dann als der Letzte der WG das Abendessen ausgeschöpft bekomme, ein angebissenes Stück Brot, das jemand auf einem Teller liegen gelassen hat. Keine Entrüstung, keine Diskussionen mit den übrigen späten EsserInnen – die eingeübte pragmatische Spiesserhaltung. Sie erlaubt es immerhin, das Ereignis als Tagebuchnotiz festzuhalten (den skandalösen Hunger auf der Welt berichtet in den Nachrichten registrieren wir nicht anders als die skandalöse widerliche Werbung tagtäglich, die den Überfluss über die Meute auskippen will). Ich suche mein Schreibpapier in der WG, genau gleich wie ich es nach dem Traum suche, schreibe dann aber doch nichts, weil der Traum mit dem Eintreffen von anderen Leuten, die indes nicht auf Essen aus sind, eine andere Wendung nimmt, die sich in die Länge zieht (und wegen der Unangenehmheit der Personen auch nicht erzählenswert erscheint). Ich hole hier nur nach, was ich im Traum hatte tun wollen, der als Traumgeschichte sein Ende nicht im Aufwachen gefunden hat. – Ein Gesprächsfetzen im fortgesetzten Traum war, dass man deswegen sich Unsterblichkeit wünschen sollte, damit man Euch, den erwähnten Erschienenen, nicht wiederbegegnen müsste.