Archiv für den 'Musik'-Themenbereich

Rac 3 again

Freitag, 22. Juli 2016

Soeben direkt live auf France Musique vom Festival de Radio France et Montpellier Occitanie 2016 Denis Matsuev, piano, National Youth Orchestra of the USA, Valery Gergiev, direction.

Serge Rachmaninov, Concerto pour piano et orchestre n°3 en ré mineur op.30.

Ich bin alles andere als ein Freund der Ästhetik Rachmaninows. Aber das dritte Klavierkonzert hat mich in letzter Zeit mehrmals heimgesucht, und auch diese Festspielinterpretation brachte mich nicht ins träumerische Wegdriften oder gar zum Wechseln des Radiosenders. Ziemlich packend, das Ganze. – Zuvor hörte ich ab CD Tarkus, das ich letzthin auf Mille der Sennerin Pauline ins Ohr flüsterte. Emerson, (Greg) Lake & Palmer erscheinen in diesem Moment echt schwach gegenüber Rachmaninow – das hätte ich mir vor vierzig Jahren niemals sagen lassen, und es wurde damals echt vielmals versucht.

Sanchez-Chiong und Pelzel mit Clex

Donnerstag, 7. Juli 2016

Gestern Abend live auf SRF 2 Konzert vom 5. Juni 2016 im Stadtcasino Basel mit Ernesto Molinari, Clex (= Clarinet Extended), Basel Sinfonietta, Duncan Ward, Leitung.

Jorge Sanchez-Chiong: Konzert für Kontrabassklarinette (UA).

Michael Pelzel: Konzert für Kontrabassklarinette (UA).

Zwei Luxusstücke mit einem grossen Zauber, die wiederholt gesendet werden sollten.

Fennessy, Sweat of the sun

Samstag, 2. Juli 2016

Soeben live auf Bayern 4 vom 28. Mai 2016 Münchener Kammerorchester, Leitung: Alexander Liebreich, mit Susann Vent-Wunderlich, Leslie Visco, Sopran; Annette Schönmüller, Alt; Marco Vassalli, Bariton; José Gallisa, Bas.

David Fennessy: „Sweat of the sun“ nach „Eroberung des Nutzlosen“ von Werner Herzog.

Werner Herzog ist mir nur als warme Luft in den Feuilletons bekannt. Diese neue einstündige Oper ist eine der vielen zusätzlichen Aufwärmungen, deren leeres Pathos einen wie immer schon kalt lässt.

Palumbo, Saunders, Manoury

Montag, 27. Juni 2016

Soeben live auf France Musique l’Ensemble Linea sous la direction de Jean-Philippe Wurtz: concert enregistré le jeudi 16 juin 2016 dans la Grande Salle du Centre Pompidou à Paris.

Emanuele Palumbo (né en 1987), Artaud Overdrive, pour ensemble, trois dispositifs Listen et électronique (2015-2016). – Salonzappa mit viel Aufwand und viel fruchtbarem Fleiss.

Rebecca Saunders (née en 1967), Fury II, concerto pour contrebasse solo et ensemble (2009, création française), Florentin Ginot, contrebasse. – Ich werde immer stetiger zum Fan von Saunders: hoch dosierte Dynamitsalvenmusik in einer Stärke, die in Lumpy Gravy nur versprochen worden war. Es ist nicht der Lärm, der beeindruckt, sondern das kompositorische Können, das die Eruptionen immer unter Kontrolle hat.

Philippe Manoury (né en 1952), B-Partita (in memoriam Pierre Boulez) pour violon solo, ensemble et électronique, Hae Sun Kang, violon. – Tonal gedachte Skizzen mit doppeltem Kapellenhall. Boulez wird in Baden-Baden nie so viel Schwarzwäldertorte gegessen haben wie in dieser Confiseriemusik stecken geblieben ist.

Cattaneo, Ferneyhough, Furrer, Maresz

Montag, 20. Juni 2016

Soeben live auf France Musique concert enregistré le 10 juin 2016 à La Philharmonie de Paris avec L’Ensemble intercontemporain, sous la direction de Matthias Pintscher. Sébastien Vichard, piano.

Aureliano Cattaneo, Corda pour piano et électronique, (création mondiale, commande de Annie Clair). – Überraschende Klangereignisse über einer kompositorisch leicht fahrigen Struktur. Tonale Akkordfolgen, jazzig kadenzierende Ton(ab)läufe. Wäre es von Keith Emerson improvisiert, tät ich’s liken: Moog, nicht Midi ist bei diesem Stück angesagt. Das letzte Viertel ist aber so oder so gut. (Es macht verlegen, ein Stück teilweise gut, teilweise schlecht zu finden: man meint, das kompositorische Subjekt sei wohl nicht gut drauf, aber ansonsten im Bereich der Kunst voll kompetent.)

Brian Ferneyhough, Inconjunctions, pour vingt instrumentistes (création française). – Der Komponist ist altersmilde geworden (hoffentlich auch im Bereich der Anforderung an die InstrumentalistInnen): man folgt den kompositorischen Strukturverläufen nun leichter als früher; sie sind spielerischer. Ein schönes Werk, regelrecht. Auch hier ist der letzte Teil leichter und fasslicher als das heranwachsende Stück.

Beat Furrer, linea dell’orizzonte, pour ensemble. – Furrer ist manchmal akademisch und leicht überkorrekt (leicht, he, nicht wirklich!). Bei diesem Stück aber sicher nicht: es funkelt, fordert die sinnliche Neugierde heraus (man will sich endlich gehen lassen…) und macht einen sogar träumen. Wenn Zappa auch ausserhalb der Mothers gut hätte komponieren können, hätte es möglicherweise so getönt. Ein vifes Stück, und Zappa hätte mitspielen und mitwürzen können.

Yan Maresz, Tutti, Tutti pour ensemble et dispositif electronique. – Der Schmarren kommt mir schon einmal gegessen vor. Durchs Band Effekte ohne musikalischen Begründungszusammenhang.

Machault, Notre Dame

Sonntag, 19. Juni 2016

Soeben direkt live auf Deutschlandradio Kultur aus der Friedenskirche Berlin das Ensemble Organum, Leitung Marcel Pérès.

Guillaume de Machault, Messe de Notre Dame. – Umwerfend!

Haas und Klaus: Koma

Sonntag, 12. Juni 2016

Soeben live auf SWR 2 vom 27. und 28. Mai 2016 in Darmstadt, Ensemblemitglieder des Staatstheaters Darmstadt, Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR, Leitung: Jonathan Stockhammer.

Georg Friedrich Haas: „Koma“, Oper mit einem Text von Händl Klaus. – Wegen der auf Harmonie ausgerichteten Mikrotonalität, der fetten Harmonie des Naturjodels, wirken die explosiven Partien arrangiert wie in einer TV-Show. Eine leichte Musik zu einem aktuellen, schweren Thema, dem missratenen Selbstmord.

Maresz, Lindberg, Lutoslawski

Montag, 6. Juni 2016

Soeben live auf France Musique concert enregistré le 4 juin 2016 à l’Auditorium de la Maison de la Radio avec l’Orchestre Philharmonique de Radio France, sous la baguette de Julien Leroy.

Yan Maresz, Répliques (Nicolas Tulliez harpe, Thomas Goepfer, réalisation informatique musicale Ircam). – Maresz soll der einzige Schüler von John McLaughlin gewesen sein. Für Doppelhalsgitarre statt für Harfe wäre das Stück ein Zacken besser. Da Maresz bei einigen anderen Leuten Komposition studierte, ist er gänzlich frei von McLaughlins Ästhetik. Er sollte etwas schneller arbeiten.

Magnus Lindberg, Corrente II. – Alte Stahlwerkmusik mit viel Sibelius darin eingeklemmt. Lindberg hätte diese metallische Sache nie verraten dürfen. Zur selben Zeit der Aufnahme war ich in Luzern an einer Familienparty, die in einer Töff- und Autogarage abging (und einen anderntags beim Aufwachen, immerhin wieder 100 Kilometer vom Alptraumort entfernt, denken liess, man hätte soeben in einer Öllache geschlafen) – und nur wenige hundert Meter nebenan spielten nach Hörensagen die braven Eisern jungfräulich gebliebenen Mägde ihre Show, als wären sie bei Lindberg in die Schule gegangen.

Witold Lutoslawski, Symphonie n° 4. – Lutoslawskis Musiksprache wird nie richtig modern gewesen sein; sie tönte immer schon wie vom Dachstock heruntergeholt.

Zusatz: Zur selben Zeit wie Lindbergs Corrente II in Paris gespielt wurde und ich in einem Machinotop von Motorenöl Wein eingoss, spielten in der räumlichen nächsten Nähe nicht die Iron Maidon, sondern ein Akteur unter dem Bannspruch Einmal Deutsch Immer Nazi, dessen Gruppennamen wie von vielen Akteuren der Öffentlichkeit unter Vernünftigen heute nicht weiter ausgesprochen werden soll.

Kaija Saariaho mit Spätwerkproblemen

Montag, 6. Juni 2016

Gestern Abend live auf SWR 2 drei Konzerte vom 20. Mai 2016 an den Schwetzinger Festspielen mit Claudia Barainsky (Sopran), Robert Koller (Bariton), Schola Heidelberg, Camilla Hoitenga (Flöte), Héloïse Dautry (Harfe), Nicolas Hodges (Klavier), Florent Jodelet (Perkussion), Sarah Saviet (Violine), Anssi Karttunen (Violoncello), Charlotte Testu (Kontrabass), Jean-Baptiste Barrière (Elektronik), Leitung: Walter Nußbaum.

Ausser dem letzten, einer Art Urfassung der Oper L’amour de loin, alles junge Stücke von Kaija Saariaho ab 2000 für kleine Besetzungen: „Light and Matter“, Klaviertrio, „Aure“ für Violine und Violoncello, „Serenatas“ für Violoncello, Klavier und Perkussion, „Terrestre“ für Flöte, Perkussion, Harfe, Violine und Violoncello, „Tocar“, Fassung für Flöte und Harfe, „Sombre“ für Bariton, Flöte, Harfe, Perkussion und Kontrabass, „Tag des Jahrs“ für Chor und Elektronik, „Changing Light“ für Sopran und Violine, „Écho!“ für Vokalensemble und Elektronik, „Lonh“ für Sopran und Elektronik.

Nach den drei Konzerten in zweieinhalb Stunden wurden noch zwei frühere Stücke auf CD gesendet. Beeindruckend, wie Orion gegenüber den soeben gehörten Konzertstücken frisch und avanciert erscheint, als ob ungefähr seit dem Jahr 2000 Saariaho mit der Tendenz, auf Momente der Tonalität zurückzugreifen, ein bequemeres, aber eben auch grösseres Publikum ins Auge fassen möchte. Triviale Dur-Moll-Komplexe sind keine zu auszumachen, umso mehr frivole Sequenzierungen, dialektische Wiederholungen (keine Repetitionen) und ganz auffällig unterhaltsame Akkordbrechungen als durchgehendes Formprinzip bei Solobegleitungen.

Holliger, Momi, Ferrari, Nunes: Nachtmusik

Montag, 23. Mai 2016

Soeben live auf France Musique concert enregistré le 17 mars 2016 au Théâtre d’Orléans, avec l’Ensemble Cairn: Cédric Jullion, flûte, Ayumi Mori, clarinette, Caroline Cren, piano, Julia Robert, alto, Ingrid Schoenlaub, violoncelle, Cyril Ciabaud, cor anglais, Guillaume Cottet-Dumoulin, trombone, Sébastien Naves, son, Guillaume Bourgogne, direction

Heinz Holliger, Drei Nachtstücke pour piano.

Marco Momi, Iconica IV pour flûte, clarinette, piano préparé, violon, alto, violoncelle.

Luc Ferrari, Ainsi continue la nuit dans ma tête multiple pour bande sonore.

Emmanuel Nunes, Nachtmusik 1 pour clarinette, cor anglais, trombone, alto, violoncelle et électronique en temps réel.

Zugabe: Alexandre Tissier, Sibir – Terre qui sommeille pour piano, flûte, clarinette, violon, alto, violoncelle.

Ein gelungenes Konzert, das in ungewöhnlicher Weise vier Stücke präsentiert, die komplett unterschiedlichen, ja widersprechenden Ästhetiken angehören: der seriellen Musik (Holliger), der konzertanten mit Live-Elektronik (Momi), der anekdotischen oder konkreten Umweltmusik (Ferrari) und dem schlagzeuglosen Kammerbruitismus (Nunes) – und in der unangekündigten Zugabe nochmals der seriellen oder postseriellen (Tissier). Die Stücke erscheinen in diesem Zusammenhang so stark individualisiert, dass es unmöglich wird, eines davon zu privilegieren. Man ist während eineinhalb Stunden in vier (bzw. fünf) verschiedenen Konzertsälen gesessen.

Lindberg, Sibelius

Freitag, 20. Mai 2016

Soeben direkt live auf France Musique l’Orchestre Philharmonique de Radio France, Simone Lamsma, violon, Jukka-Pekka Saraste, direction.

Magnus Lindberg (1958), Aura (In memoriam Witold Lutoslawski), pour grand orchestre (1994).

Magnus Lindberg, Concerto pour violon n° 1 (2006).

Jean Sibelius (1865-1957), Symphonie n° 4 en la mineur, opus 63 (1910-1911).

Wird man nur einmal im Jahr mit Black Sabbath, Keith Emerson & Co. konfrontiert, ist solche Musik okay. Ähnlich geht es auch mit Magnus Lindberg. Heute empfinde ich diese Werke als flotte Unterhaltung, ganz ohne Verirrungsrisiko in subtilen Verläufen. Nichts ärgert an ihr.

Gestern schon die Vierte von Sibelius in einem zweitklassigen Konzert aus Berlin mit einem faden Reger (Vier Böcklin-Tondichtungen) und einem faulen Mussorgsky (Vier Gesänge der Frau Tod). Das Interessante an diesem speziellen finnischen Werk ist weniger die berühmte Kargheit als mit welchen Worten die RadiomoderatorInnen es einem schönreden wollen; es stammt von einem Scheintoten (Sibelius war allerdings ein armer Sack: vor über hundert Jahren mit Schwertern an der Gurgel geopst – ich hätte als Komponist darauf hin nur noch leere Blätter abgegeben). – Das Pariser Orchester hat ihm heute, dank dem Schuss Lindberg vor der Pause, ein wenig Leben eingehaucht. Fast will es mir gefallen.

Betsy Jolas, Iliade l’amour

Montag, 16. Mai 2016

Soben live auf France Musique concert enregistré à la salle d’art lyrique du Conservatoire National Supérieur de Musique et de Danse de Paris, le 12 mars 2016. Orchestre du Conservatoire de Paris, Élèves du Département des disciplines vocales du Conservatoire de Paris, Etudiants du secteur Scénographie de l’ENSAD, David Reiland, direction. Julien Clément, baryton, Marianne Croux, soprano, Anaïs Bertrand, mezzo-soprano, Igor Bouin, baryton, Guihem Worms, baryton, Eva Zaïcik, mezzo-soprano, Fabien Hyon, ténor, Marina Ruiz, soprano, Yi Li, soprano, Lucie Louvrier, mezzo-soprano, Adèle Charvet, mezzo-soprano, Aliénor Feix, alto, Hedvig Haugerud, alto, Blaise Rantoanina, ténor, Jean-François Marras, ténor.

Iliade l’amour de Betsy Jolas.

Das Fünfundneunzigminutenstück wird in einem Schliemann-Gymnasium seine Würdigung erfahren, konzertant und nicht ohne Kürzungen aufgeführt vom ordentlichen Musiklehrer mit dem Schulorchester, zusammen mit einer zusätzlichen professionellen Sopranistin.

Horatiu Radulescu, Streichquartett Nr. 4

Donnerstag, 12. Mai 2016

Soeben live auf WDR 3 Konzert vom 3. oder 4. Mai 2016 am Acht Brücken Festival in Köln mit dem Asasello Quartett.

Horatiu Radulescu, infinite to be cannot be infinite, infinite anti-be could be infinite, Streichquartett Nr. 4, op. 33.

Eine starke Musik, bei deren Hören ich zum ersten Mal das Gefühl habe, dass gegenüber der Liveaufführung unter den Kopfhörern etwas von ihrer Stärke verloren geht. Um das spielende Quartett herum werden in acht Lautsprechern, die es selbst und das Publikum umgeben, acht vorher aufgenommene Quartettpartien wiedergegeben, in mikrotonal unterschiedlichen Stimmungen. Wenn ich die Erläuterungen richtig verstanden habe, musste das Asasello Quartett insgesamt also neun Streichquartettpartituren einstudieren, um dieses eine Stück vor Publikum spielen zu können – Wagners Ring scheint dagegen wie ein Willisauer Ringli herumzuliegen. Der Eindruck dieser neun Streichquartette ist auch dann gewaltig, wenn man die einzelnen Klangereignisse nicht so identifizieren kann, wie sie im Werk intendiert sind, also sowohl in sich selbst etwas verschwommen sind wie auch leicht wolkig im Raum erscheinen. (Man muss sich wohl wie traditionell nur ein einziges komplettes Streichquartett vorstellen mit acht Zusätzen in Fragmenten, die heutzutage gewöhnlicherweise mit Liveelektronik hergestellt werden.)

Obwohl dieser Komponist eine eigenwillige Ästhetik zu vertreten scheint, gibt es keine Texte von ihm, weder in den Bibliotheken noch als Buchware. Man sollte sich speditiver um das musikalische und diskursive Werk von Horatiu Radulescu kümmern.

Amériques

Sonntag, 8. Mai 2016

Soeben direkt live auf SWR 2 70 Jahre SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Leitung François-Xavier Roth.

Edgard Varèse, Amériques. – Eine grossartige Interpretation, die hörbar macht, dass in Amériques vor Stockhausens Gruppen drei Orchester momentweise in verschiedene Richtungen ziehen.

Hillborg, Murail, Kishino, Scelsi, Saariaho

Dienstag, 26. April 2016

Soeben live auf WDR3 vom 23. Oktober 2015 NOW! Prismen: Gondwana mit dem ChorWerk Ruhr, Bochumer Symphoniker, Leitung Florian Helgath, Aufnahme aus der Philharmonie Essen.

Anders Hillborg, Mouyayoum für 16stimmigen gemischten Chor.

Tristan Murail, Gondwana für Orchester.

Malika Kishino, Chant für Chor und Orchester, Uraufführung.

Giacinto Scelsi, Tre canti sacri für Chor a cappella.

Kaija Saariaho, Oltra mar für Chor und Orchester, deutsche Erstaufführung.

Ein schönes Konzert mit besänftigender Musik – das Interview mit Malika Kishino vorbildlich und neugierig machend. In der Schweiz wäre das Ganze unvorstellbar, sowohl als Konzert wie als Radiosendung, und – man glaubt es vielleicht nicht auf Anhieb – in Frankreich ebenso. Der norddeutsche Raum ist für gute Musik singulär, auch in der Ära nach Stockhausen.

Höller, Pesson, Hodkinson, Cattaneo

Montag, 25. April 2016

Gestern Abend direkt live auf WDR3 von den Wittener Tagen für neue Kammermusik 2016 das Schlusskonzert mit Aart Strootman E-Gitarre, WDR Sinfonieorchester Köln, Leitung Emilio Pomàrico.

York Höller, Ausklang und Nachtecho für Kammerorchester, Uraufführung.

Gérard Pesson, Pastorale für Kammerorchester, Uraufführung.

Juliana Hodkinson, … can modify completely / in this case / not that it will make any difference … für E-Gitarre und Kammerorchester, deutsche Erstaufführung.

Aureliano Cattaneo, resto für Kammerorchester, Uraufführung.

Fünf Meisterwerke unterschiedlichen Charakters, aber alle in bester Qualität, und für alle der Wunsch, sie schnell noch einmal hören zu können.

Hugues Dufourt, Apollon et les continents

Samstag, 23. April 2016

Soeben direkt live auf WDR3 von Witten 2016.

Hugues Dufourt, Apollon et les continents, d’après Tiepolo für Ensemble, Uraufführung des Zyklus, ensemble recherche. L’Afrique d’après Tiepolo (2004), L’Asie d’après Tiepolo (2009), L’Europe d’après Tiepolo (2011), L’Amérique d’après Tiepolo (2016).

Eine grossartige farbige Musik, die mittels Mehrfachklängen aus einem kleinen Orchester ein symphonisches hervorzaubert. Ein zweistündiger Werkkomplex, der zum Deuten herausfordern wird.

Die unmittelbar beeindruckende Komposition bezieht sich auf ein Monument der Freskenmalerei, das einem modernen Menschen unbekannt ist, da es einen mehrmaligen Gang in die Würzburger Residenz voraussetzt und wegen seiner räumlichen Komplexität an den Deckenwänden nur behelfsmässig in einem zweidimensionalen Format, sei es gedruckt oder am Bildschirm, reproduziert werden kann. Der Prunk der Residenz, der sich durchaus in dem der aktuellsten Potentaten weltweit widerspiegelt, stösst einen ab und lässt einen im falschen Glauben zurück, die Malerei Tiepolos hätte nur in Affirmation zur Gewalt der Herrschaft realisiert werden können. Denn dem scheint nicht so zu sein. Der bildende Künstler der alten Zeit verwirklichte verschiedene Deutungsphantasien, die sich wenn nicht als politische, so doch als Zeitkritik rekonstruieren lassen. Wie auch immer: der Zusammenhang der Kritik ist unwiderruflich mystifiziert (gewöhnlicherweise religiös motiviert) und kann nicht ohne Gehaltsverlust in die moderne Sprache übersetzt werden. Wegen der unbestreitbaren Bedeutsamkeit des musikalischen heutigen Werkes wird die Frage lange zu diskutieren sein, wie der Komponist die kritischen Impulse der Malerei sowohl in sein Medium wie in die heutige Zeit umzuschmelzen vermochte. Gelungen ist ihm Grosses – doch was eigentlich, muss man erst noch herauszulesen verstehen.

Eun-Ji Anna Lee, Intaglio

Freitag, 22. April 2016

Soeben direkt live auf WDR 3 Witten 2016, Trio Catch.

Eun-Ji Anna Lee, Intaglio für Klarinette, Violoncello und Klavier, Uraufführung. – Ein ordentlich gutes Stück, das man gerne noch ein paar weitere Male hört.

Lara, Mâche, Fedele

Montag, 18. April 2016

Soeben live auf France Musique concert enregistré le 9 février 2016 à la Salle des concerts – Cité de la musique. Johan Leysen, words, Han Römer, Croak, Ensemble intercontemporain, Ilan Volkov, direction.

Felipe Lara, Fringes. – Effekthascherischer Leerlauf, ohne verbindlichen Zug im Zusammenspiel der Instrumente.

François-Bernard Mâche, Kassandra, pour ensemble instrumental et sons enregistrés. – Naturaufnahmen und naturimitierende Instrumentalpassagen, zuweilen dicht komponiert und zuweilen gut zusammengestellt.

Ivan Fedele / Samuel Beckett, Words and Music. – Ausmalmusik, okay aber nicht zwingend.

Harvey, Zimmermann, Stockhausen

Montag, 11. April 2016

Soeben live auf France Musique concert enregistré le 30 janvier 2016 à l’Amphithéâtre de la Cité de la musique, Philharmonie 2.

Jonathan Harvey (1939-2012), … towards a pure land pour grand orchestre. Orchestre du Conservatoire de Paris, Ensemble intercontemporain, Matthias Pintscher, direction. – Glatt und brav.

Bernd Alois Zimmermann (1918-1970), Antiphonen, pour alto et petit orchestre. Odile Auboin, alto, Orchestre du Conservatoire de Paris, Ensemble intercontemporain, Matthias Pintscher, direction. – Das beste Stück des Abends.

Karlheinz Stockhausen (1928-2007), Gruppen, pour trois orchestres. Orchestre du Conservatoire de Paris, Ensemble intercontemporain, Matthias Pintscher, direction, Paul Fitzsimon, direction, Bruno Mantovani, direction. – Das Stück hängt leicht schief in der Luft, als ob ihm ein einheitlicher Impuls in der Tiefenstruktur fehlen würde. Früher wurde es weniger differenziert aufgeführt, faszinierte aber mehr; was nervt ist eine gewisse Beliebigkeit. (Der chaotische Mittellteil ist von der Kritik ausgenommen: superb gespielt wie noch nie!!!)