Archiv für den 'Kleine Medizin'-Themenbereich

Le Bistro c’est moi

Dienstag, 28. November 2006

Nach dem erfolgreichen Eingriff letzten Freitag viele Alpträume, auch bekannte chtonische, die wegen des gegebenen Anlasses und ihrer Zügellosigkeit nicht in sinnvoller Weise reproduzierbar sind. Heute Morgen Ungesittetes gesitteter: Ich gehe in ein Restaurant und bestelle einen Zweier Roten (im realen Leben gehe ich seit 15 Jahren nicht mehr in eine Kneippe und trinke zuhause exakt oder eingeladen ungefähr eine Flasche pro Woche); am nächsten Tag wird in derselben Kneippe morgens ein Zweier Dôle bestellt. Der Wirt persönlich serviert, ein Umstand, der sich später klärt. Ich trinke ruhig, keineswegs als Alkoholiker oder als einer, der vorhat, sich zu betrinken. Ich möchte Zigaretten aus dem Automaten kaufen und gehe durch das Restaurant, dreimal so gross wie das Berner Pyrie. Erst jetzt sehe ich das Besondere, die komplette Zerstörung des Mobiliars, allenthalben kleine Haufen, in denen es glimmt. Eine starke Party wird ihr Ende im destruktiven Überborden gefunden haben – oder eben doch kein Ende, da man die Kneippe ja einfach hätte schliessen können. Das scheint der alte Barkeeper, der nur selten an den Tischen servierte, in meinen Augen gelesen zu haben, und er zuckt mit den Schultern, über einen der Glimmhaufen gebeugt. Jetzt wird klar, dass der Wirt (im Realen aus der Zwillingsstammkneipe) eben noch eine Flasche vor dem Chaos hat in Sicherheit bringen können und daraus wie wenn nichts gewesen wäre hat einschenken wollen. Noch offensichtlicher ist, dass die Schenke und ihr vorübergehendes Chaos ich selbst bin.

Der letzte Faden hält

Freitag, 15. September 2006

Scribble’s riddle-doodle (6):


Antwort

Grenzen der kleinen Medizin

Dienstag, 29. August 2006

Eine kleine Medizin gerät dann zum Ruhme der grossen, wenn sie ihre engen Grenzen deutlich macht. Geschieht es nicht aus vernüftiger Einsicht, wird sie selbst durch die Umstände mürbe gemacht und dazu getrieben. Hämorrhoiden zeigten sich in Spuren schon vor 30 Jahren, und fast so lange waren sie kein Problem, wenn auch phasenweise ärgerlich. Gezeigt werden sollte hier der Absicht nach, noch bis vor drei Monaten, wie mit Gymnastik die allmählich stärker werdenden Beschwerden gemeistert werden könnten. Doch nichts da! Aufgezeigt wird hier nun das Gegenteil, dass es medizinische Ereignisse gibt, die nicht früh genug einer ordentlichen ärztlichen Behandlung anvertraut werden können – bis vor drei Stunden auf die Hämorrhoiden bezogen, ernüchtert inzwischen vor einem grossen Suff auf unberechenbarere Aliens.

Schon vor Mitte der achtziger Jahre wird klar, dass das, was seit zehn Jahren stört und aus Gründen vermeintlich guter Sitte verschwiegen wird, Hämorrhoiden sind und mit ein wenig Salbe gut zu behandeln ist, mit Procto-Glyphenol. Ab jetzt erscheinen diese Schwierigkeiten phasenweise, manchmal einmal im Jahr, manchmal dreimal, in einigen Jahren auch überhaupt nicht; mit Salbe ist das Problem innerhalb weniger Tage vom Tisch. Weitere zehn Jahre später muss die austretende Vene nach jedem Putzen leicht eingedrückt und eingeschoben werden, eigentliche Hämorrhoidenprobleme erscheinen immer noch in den Abständen wie vorher, also mit Fug unproblematisch. Im September 2005 melden sich beim Aufstieg zum Harder erste ernsthafte Schmerzen; sie verziehen sich am Mittag, erscheinen von jetzt an aber fast jeden Tag mehrmals, meistens innerhalb mehrerer Minuten vorübergehend. Was hilft sind das Leeren der Blase und längeres Kauern am Boden, möglich zu Hause und in öder Wildnis, schwierig unter Menschen und Vipern. Ein gewöhnlicher Tag 2005 besteht aus einer drei- bis vierstündigen Fahrt ins Wallis, fünf bis neun Stunden Laufen, wieder vier Stunden Rückfahrt, schnelles Nachtessen (meistens sehr dicke Fidelisuppe) und fünf Stunden Bilderbearbeitung – insgesamt also mindestens elf Stunden Sitzen. Es gibt schmerzfreie Tage und solche mit ordentlichen Qualen, sei es beim Sitzen, sei es beim Wandern, hier meistens nur morgens während des steilen Aufsteigens, als übten unermüdlich ihre Giftzähne drei Jolivipern. Öfters wird aus dem WC ein Schlachthaus, so viel Blut entfliesst. Aber es gibt auch gute Tage, gute Wochen, und der Januar 2006 ist völlig schmerz- und problemfrei, weswegen ein Arztbesuch immer noch auf die lange Bank geschoben wird. Ab März hilft keine Salbe mehr, die sich rezeptfrei in der Apotheke kaufen liesse. Am 26. April wird ein Sitzring nach Hause geschleppt, der aber nur wenig nützt – das Sitzen ist nun schon nach kurzer Zeit eines wie auf dem Nagelbrett. Weil der Winter 05/06 so eisig ausgefallen ist, jedenfalls vor dem Haus Indermühleweg 9, wird die Hoffnung aufgebaut, dass in den kommenden Zeiten mit guten Wander- und also Bewegungsmöglichkeiten die Schwierigkeiten sich wieder normalisieren würden. Da sie nach ausgiebigem nervösem Internetstudium nicht zuletzt mit Verstopfung in Beziehung stehend gesehen werden müssen, erhält das Essen nun grösseres Augenmerk. Am schlimmsten den Darm beeinflusst hatten nebst den Schweinskoteletten die Mandelgipfel; auf sie wird jetzt wohl fast definitiv verzichtet werden müssen. Also Bäcker, die ihr am Wege des öfteren gelauert hattet, nehmt es als Zeichen der Qualitätsanerkennung, wenn euer Umsatz am Sinken ist. Ab Mai wird die Diät ausgedehnt: Kein Fleisch mehr oder nur extrem selten und fettfreies, ab und zu Fisch, keine Teigwaren mehr, kein heller Reis, keine Milchprodukte, keine Schokolade, keine Gutzli und ähnliches, kein Weissbrot sondern Müsli ohne Zucker, Vollkornbrot, Wein nur eine Flasche in zwei Wochen statt in einer, Zigaretten 10 Stück desgleichen. Keine Frage, dass der Bauchumfang spürbar unter das Mass von Montana 2002 rutscht. Am 27. Juni 2006 endlich beim Hausarzt, der eine Anmeldung beim Spezialisten macht sowie Procto-Synalar (stärker als Procto-Glyphenol, aber nicht rezeptfrei) und Daflon 500 gegen die Thrombosenbildung mitgibt (Thrombosen entstehen in dieser Spätphase der Hämorrhoiden unweigerlich, ziehen aber keineswegs die Gefahren mit sich wie solche in anderen Körperteilen). Am 30. Juni Arztbesuch beim Gastroenterologen; schnelle Unterbrechung der Untersuchung wegen der Diagnose einer Fissur. Mit Nifedipin Salbe und Xylocain gegen die Schmerzen verheilt die Fissur nach drei Wochen, ähnlich starke Schmerzen aber bleiben. Am 28. Juli dieselbe Untersuchung noch einmal. Ich meine zu verstehen, beim neuen Schmerz handele es sich um einen weiteren Riss im Inneren, höre aber erst Wochen später korrekt, dass so alte Hämorrhoiden eben starke Schmerzen verursachen können, durch ständiges sich neu Entzünden. Zwischen diese zwei gastroenterologischen Untersuchungen fällt der vorläufig letzte Wanderarbeitstag, an dem die Bietschhornhütte nur mit vielen Pausen in der Hocke erreicht wird, und beim Absteigen intensivieren sich gar die Qualen. Da nach dem 50. Lebensjahr ungefähr die Hälfte der Bevölkerung Darmpolypen bewirtet, welche zu bösartigen Tumoren mutieren können, wird eine Darmspiegelung, also eine Koloskopie angeordnet, die am 8. August im Salem-Spital in künstlichem Tiefschlaf durchgeführt wird (keine echte Narkose, die Wirkung ist aber ebenso gut). Das Resultat könnte nicht besser sein: Zwar muss wie prognostiziert eine Hämorrhoidenoperation auf den Plan gesetzt werden, aber ganz ohne weitere Zusätze. Es zeigten sich keine Polypen, kein Tumor nirgends, keine anderen Komplikationen. Das Material entspricht ab jetzt wie durch ein Wunder den humanmedizinischen Normen und hört endlich auf, zugleich als Durchfall und Verstopfung in Erscheinung zu treten. Allerdings weiterhin Schmerzen allenthalben, sobald das Quartier verlassen wird: halbstündige und längere Spaziergänge liegen kaum mehr drin, wenn es auch immer noch einzelne Tage gibt, die komplett oder zur Hälfte schmerzfrei vergehen, die frühmorgens als solche aber nicht erkannt und dementsprechend auch nicht ausgenutzt werden können. Der Hausarzt vereinbart am 14. August mit dem Chirurgen im Beau-Site Spital einen Termin für den 22. August. (Wieso nicht der untersuchende Gastroenterologe die Operation durchführt, ist unklar, vor der Koloskopie wurde nur der Wunsch geäussert, im Falle der Entdeckung eines Tumors in der Insel behandelt zu werden, weil dann vielleicht von einem Zusammenhang mit der Enchondromatose, die offenbar auch spontane Unterleibs- und Gehirntumore begünstigt, ausgegangen werden müsste.)

Man sieht, worauf es ankommt: Wer sich früh zum ersten Arztbesuch meldet, bevor die Schmerzen und die paranoischen Ängste blindwütig werden, kann sich die Jahreszeit aussuchen und braucht nicht dem Sommer aus der medizinischen Kerkerhaft Ade zu winken. Einen Klagegrund gibt es an dieser Stelle indes nicht, war das Wetter doch das Letzte, das dieses Jahr dem Wanderverhinderten die Treue gebrochen hätte; aber nicht alle künftigen Sommer werden hämorrhoidenfreundliche sein. Wer klug ist und sich früh genug beim Hausarzt meldet, hat das Hämorrhoidenproblem ganz ohne Operation und langen Untersuchungsverlauf in einem nur wenige Minuten dauernden Eingriff in der gastroenterologischen Praxis mittels Laser- oder Infrarotbehandlung schmerzfrei hinter sich. – Zurzeit „läuft“ die zweite und hoffentlich letzte radikale Darmentleerung. Morgen ist die Operation, für kommende Zeiten.

Doch nein, so günstig geht die Geschichte hier nicht aus, wie sie im eingerückten Absatz optimistisch vorausgeschrieben war. Der Viszeralchirurg fragte genau nach den Schmerzen und liess den Zusammenhang zwischen den geschilderten beim Bergwandern und gewöhnlichen Hämorrhoiden nicht gelten. Wer die Wanderarbeit an den Nagel hängt wegen Schmerzen zuhinterst muss auf andere Weise untersucht werden. Letzten Freitag die MR-Untersuchung, heute die Diagnose, die alle Phantasien über den Haufen wirft. Nicht die Hämorrhoiden verursachen die Schmerzen, sondern ein Enchondrom, wie sie Morbus Ollier eigen sind, im Darmbein links, Os ilium.

Arse Salad Surgery

Freitag, 25. August 2006

Soeben dem Magnet-Resonanz-Tomographen entronnen, dem MRI (…-Imaging) im Beau-Site. Die Unterschiede zur selben Untersuchung 2002 in der Insel sind musikalisch interessant. Das Konzert in der gänzlich geschlossenen Röhre 2002 dauerte mehr als eine Stunde und erschreckte einen mit einem Höllengebilde, das zusammenhangsloser John Cage nie hätte MusikerInnen zu spielen verschreiben gewagt. Keine noch so kleine Sequenz vermochte ein metrisches Tempogefüge darzustellen, keine antwortete auf eine, die sich irgend hätte identifizieren lassen. So ein schwerfälliges Chaos an schlagenden und hämmernden Nibelungenstaccati, die wie Sternklumpen zueinander standen, hatte ich sonst nie vernommen. Ganz anders heute. Die Nase litt zwar immer noch fast unter einem Sargdeckelkontakt, aber hinten war der Backofen offen, wie vielleicht auch nur, um von des Himmels Trostlosigkeit einen ersten Eindruck zu verraten. Immerhin wirkte das Licht dadurch weniger bedrohlich als früher, wo es eindeutig nur den dezent illuminierten Gang in die Hölle einem aufdringlich in Dunkelgelb und Schwarz vor Augen hielt. Das Ganze heute, diagnostisch eingeschränkt auf den Beckenbereich, dauerte knapp eine halbe Stunde, mit einem Sound, der schon vor dem Einschub in die Röhre einem klar machte, dass es hier um einen anderen Stil ging, um einen ganz eindeutigen. Der Raum auch ausserhalb des Tomographen stampfte ein Gemisch von Dampfschiffmaschinenraum, Bitches Brew und Zappas Bebop-Tango aus dem Boden, der von Anfang bis zum Schluss durchhielt – wohl den ganzen Tag ohne Unterbruch. Auch innerhalb bildete er den primitiven musikalischen Boden. Auf dem nun spielte sich nichts weniger ab als Brain Salad Surgery von Emerson Lake & Palmer. Ah, so lässt es sich gut, auch in depressivster Stimmung, untersuchen, wo die Vipern beissen.

Gesundheitsmusik

Montag, 14. August 2006

Frank Martin’s Sechs Monologe aus „Jedermann“ (Hofmannsthal), fast direkt vom Lucerne Festival, kommt gerade zur rechten Zeit. Es soll mir eine Lehre sein: „Hier wird kein zweites Mal gelebt.“ Nein, keine Völlerei nicht mehr, die zur Verstopfung nur immer wieder führt. Die Musik droht plastisch durch Durchfall und Undurchlässigkeit.

Koloskopie

Montag, 7. August 2006

Das kleine Wespenmonster im Haus –
und Glück herrscht bei der Darmentleerung.

Soll aber sein, zum Teufel, eine – Grabwespe.

Schmerzen im Knie

Dienstag, 16. Mai 2006

Nicht jedes schmerzende oder gar fast blockierte Knie bedarf eines ernsten ärztlichen Beistandes. Schon als vierzehnjähriger Dauerläufer und -schwimmer konnte ich einen Sommer lang nur mühsam gehen – nach zwei Monaten ging alles Laufen und Springen wieder gut. Mit 25 Jahren schmerzten beide Knies beim Runterlaufen: zwei wärmende Knieschoner aus der Drogerie und der Oberländer Hafenlauf als Runterwandern fast in der Hocke (natürlich nur im Wald oder über 2500 Meter!) kurierten beide in ein paar Wochen (diese Art zu gehen wird auf einigen Internetseiten als kontraproduktiv betrachtet, mir hat sie früher oft geholfen). Mit 30 Jahren stellte sich einmal eine extreme Blockade schon beim Hinaufgehen ein; eine zweitägige Wanderung wurde so peinlich vermasselt, und jener Sommer oder Herbst lang konnte an Wandern nicht mehr gedacht werden. Bei der grossen Tumoruntersuchung 2002 wurden in der PET-Analyse auch Nester in den Knien aufgezeichnet. Der Techniker beruhigte aber schnell, solche seien bei allen vorhanden, die sich mehr als nur zwischen Fernseher und Kühlschrank hin und her bewegten. Im Frühling 2005 schmerzte ein Knie plötzlich heftig beim Runtergehen von La Creusaz nach Les Marecottes (die Bahn fuhr noch nicht). Eine ernsthafte Suche im Internet stiess auf die optimale Lösung, eine kleine gymnastische Übung, die schon am ersten Tag Entspannung versprach. Man geht auf die Knie, mit langen Hosen, falls kein weicher Teppich daliegt, streckt den Rücken wie das fromme katholische Kind, und neigt sich langsam nach hinten, immer im Kopf behaltend, dass es um die Knies und um die Muskulatur knapp darüber geht. Man spürt schnell eine Spannung, der man nur wenige Sekunden widerstehen soll, nicht mehr als fünf. Ganz langsam, ohne zu rucken, und sehr weich geht es wieder zurück in die Senkrechte.

Kleine Medizin

Samstag, 22. April 2006

Unter Kleine Medizin werden erprobte Lösungen gegen zermürbende Gebrechen beschrieben, die mit dem Alter sich bei einigen einstellen und von denen die anderen, Glücklichen, verschont werden, ohne es geniessend selbst zu bemerken.