Laktose, Fruktose, Gluten
Vor einer Woche passierte eine zwölfstündige Bauchattacke mit dem bösen Gefühl, als wäre ein Tumor in der Bauchspeicheldrüse oder sonstwo freistehend in der Magengegend – heute geniesse ich ein Lebensgefühl mit einer Verdauung, die nicht besser sein könnte.
Dass ich Laktose, also Milchzucker nicht vertrage, habe ich spätestens im März 2009 kapiert, und dass mein Magen-Darm-System gleichwie den Fruchtzucker nicht zu verarbeiten vermag im Herbst desselben Jahres (vgl. Blogeintrag 28. 7. 2010). Seither ist es nur in Ausnahmefällen zu Bauchattacken gekommen, sei es durch Unvorsichtigkeit, sei es durch eine oder mehrere Substanzen, deren Schädlichkeit für mich noch nicht bekannt wären. Spätestens seit drei Wochen ist es aber mehrmals zu kolikartigen Ereignissen im Oberbauch gekommen, in deren Verlauf heftige Kotzanfälle geschahen, ohne dass dazu sich das typische Unwohlsein eingefunden hätte. Vor einer Woche waren die Bauchschmerzen so gross und so lange andauernd, von abends sechs bis morgens sechs Uhr, dass alles noch so wohlwollende Deuten auf eine geschundene Bauchspeicheldrüse hinauslief. Einen letzten Strohhalm fand ich unter den vielen nützlichen Internetdiagnosehilfen, dass die Glutenunverträglichkeit zumindest sehr ähnliche Symptome wie eine geschädigte Pankreasdrüse zeigen würde. Sofort also wird der Entschluss gefasst, alle glutenhaltigen Esswaren auszukundschaften, um sie künftig möglichst ausnahmslos beim Essen links liegen zu lassen. Nach zwei Tagen hatte ich das Gefühl, dem Übel auf der Spur zu sein und den richtigen Entschluss gefasst zu haben. Offenbar sind Allergiker (ich habe seit Kindheit eine gegen Früchte und Gemüse, die sehr viel Vitamin C enthalten) stark dem Risiko ausgesetzt, im Verlauf des Lebens nicht nur eine Intoleranz gegenüber Laktose oder Fruktose zu entwickeln, sondern sowohl gegen den einen wie den anderen Zucker und zusätzlich gegen Gluten, eine Substanz, die sämtliche Kornarten enthalten und folglich in allen Bäckerei- und Teigwarenprodukten ihre Wirkung entfalten können, als harmloser Effekt Durchfall, in akkumulierten Mengenverhältnissen Bauchschmerzen, Koliken und kolikartige Krämpfe.
Was wäre zu tun?
– Die Gesundheitspolitik muss den Gesundheitsdiskurs so steuern, dass nicht nur von der Güte der Milch-, Früchte-, Gemüse- und Getreideprodukte geredet wird, sondern auch von den Ausnahmeereignissen, die sie auslösen können, eine zeitlich längere oder kurz befristete Intoleranz ihnen gegenüber, der sich die betroffenen Menschen zu stellen haben. Das wäre keine grosse Sache, wenn die Ausweich- oder Ersatzprodukte leicht zu finden wären. Wer aber glutenfreie Back- und Teigwaren sucht, wird das Gefühl nicht los, solche Produkte könnten sträflicherweise nur in den Schmuddelecken der dunklen Seitengassen aufgestöbert werden.
– Es muss ein Diagnosegerät entwickelt werden, das wie ein Fiebermesser jederzeit im Haushalt eingesetzt werden kann. Das Instrument müsste imstande sein, innerhalb von Minuten Auskunft zu geben über den momentanen Toleranzgrat gegenüber Laktose, Fruktose und Gluten. Es wäre für jeden dann eine Leichtigkeit, selbst zu entscheiden, ob gegenüber einer spezifischen Substanz nun die Diät eingehalten werden müsse oder in welchem Umfang sie genossen werden könne.
In meinem Fall würde die Aufzeichnung der Toleranzwerte gegenüber Laktose, Fruktose und Gluten von 2008 bis heute ungefähr so aussehen. (Würde man mehrere Aufzeichnungen an einem einzigen Tag machen, gäbe es auch Toleranzverlustwerte, die nahe bei Null wären, wenn auch keineswegs an jedem Tag.)
(Zur Verlässlichkeit der Grafik: Die Daten der Koliken hatte ich in früheren Blogeinträgen festgehalten; die erste war 2003. Für die Grafik wurde eine Excel-Tabelle gemacht, eine Datenreihe für jede Intoleranz beziehungsweise Unverträglichkeit. Beginnend am 1. Januar 2008 gibt es für jeden Monat einen Wert, manchmal den Spitzenwert, sonst eine Art Durchschnittswert. Die Spitzenwerte sind genau, entweder auf der 100%-Linie der Unverträglichkeit und des Toleranzverlustes oder in den Zeiten kurz davor sehr nahe bei 100%. Da man nichts spürt, wenn die Intoleranz nicht gross ist, sind die anderen Werte gänzlich fiktiv und nur deshalb in unterschiedlichen Höhen festgehalten, damit sich der Eindruck festsetzt, dass die Intoleranzen im Verlauf der Zeit schwanken. Nur bei denjenigen Personen schwanken sie nicht, deren Intoleranzen genetisch bedingt und von Geburt an wirksam sind – ihr Wert würde in dieser Grafik wie eine horizontale Linie für jede Intoleranz bei 100% liegen.)
Zusatz 25. Mai 2014: Es war immer klar, dass die glutenfreie Ernährung nur vorübergehend und befristet dauern soll. Nach gut eineinhalb Jahren habe ich vor zwei Wochen wieder auf Normalkost umgestellt, weil ich endlich einen Artikel zu lesen gefunden habe, der die Unterscheidung zwischen angeborener Zöliakie und vorübergehender Glutenunverträglichkeit ohne Verschwommenheit darstellt – nota bene auf der Webseite eines Herstellers glutenfreier Produkte, Schär. Sowohl die Magenregion wie der Darm funktionieren mit der neu eroberten normalen Ernährung optimal, als ob es nie Kolik-Probleme gegeben hätte (die zwei Ganzkörper-CTs vom Dezember 2012 und vom Mai 2014 bezeugen in Nebendiagnosen Gallensteine und Sigmadivertikulose, von denen nur die zweite im Zusammenhang der Schmerzen von Februar bis Juni 2013 eine Rolle gespielt haben dürfte – eine vom Assistenzarzt in der Insel am 8.4.2013 unbemerkte Aktennotiz (nicht vollständig auszuschliessen ist immerhin, dass der Anlass zum obigen Text einem singulären Aufmucken der Gallesteine geschuldet ist, nicht dem Zuviel an Gluten…)). Laktose konsumiere ich nur in der Form von Glacé, Fruktose im leicht zurückhaltenden Genuss auch von stark fruktosehaltigen Früchten und Gemüsen, in etwa auf normale Weise, und Gluten wieder süchtig wie früher in allen Formaten. Brot und Teigwaren setzen Duft- und Geschmacksstoffe frei, auf die man nicht ohne Not verzichten sollte.
Mittwoch, 5. September 2012 um 2:36 pm Themenbereich: Kleine Medizin RSS 2.0 Both comments and pings are currently closed.