Sozialer Autismus – Terror 2

Neben den Familienstrukturen und den Bildungssystemen wäre noch ein anderer, selbständiger Faktor zu untersuchen, wenn die paranoische Verweigerung und Verleugnung des kritischen Diskurses verstanden werden soll. Aus unterschiedlichen und vermischten Gründen kann es geschehen, dass Jugendliche über Jahre hinweg, rückblickend gar ihr ganzes bisheriges Leben lang, zuwenig der Möglichkeit und dem Zwang ausgesetzt sind, neue unbekannte Menschen kennen zu lernen, die sie ohne äusseren Zwang dazu drängen, ihnen zuzuhören und ihnen von sich selbst zu erzählen. Fehlen diese Begegnungen, die nur dann gut sind, wenn sie sich ununterbrochen erneuern und den Drang erzeugen, immer noch mehrere und weitere zu erleben – begünstigt wie alles Falsche heute durch die separierende Fernsehkultur -, misslingt es den Einzelnen, sowohl ein Bild von sich selbst aufzubauen wie eines vom idealen Anderen, das so beschaffen wäre, aus unendlich vielen Anderen zusammengesetzt zu sein. Die Neugier auf die Welt ist nahezu identisch mit der Neugier auf andere Menschen, zuweilen vermittelt durch Erkenntnisse über Sachen, die man aber anderen mitteilen will. Mit dem Entstehen solcher Bilder verfestigt sich das ursprüngliche moralische Gefühl, das immer nur das Eine ausspricht, dass der Andere noch so anders sein kann, er tritt niemals aus dem eigenen Lebenshorizont hinaus: sein Lebensrecht in Abrede stellen zu wollen liesse mein eigenes nicht unbeschadet. Nicht seine Existenz, aber seine Eigenschaften werden desto stärker zu einem der Momente der Bilder, die nur dazu da sind, über sie zu sprechen, weil es nur diese eine menschliche Lust gibt, sich zum Ausdruck zu bringen und zu sprechen.

Samstag, 12. August 2006 um 8:44 am Themenbereich: Theorie                 RSS 2.0 Both comments and pings are currently closed.

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