Saint-Saëns und Strauss an der Hörperipherie
Gestern direkt live Samson et Dalila von Camille Saint-Saëns aus Nürnberg auf Bayern 4. Schwierig nur schon, die Sprache zu erkennen, Französisch, geschweige denn, im Gesungenen Bedeutungen auszumachen, denen man hätte folgen können. Das wurde zunehmend gleichgültig, weil die Tonsprache und Gattungsästhetik von der Beschaffenheit sind, die ich seit je als den Tod der Musik empfinde. Es liegt an der Musik selbst, nicht an der Darstellung und der Atmosphäre des Opernhauses, dass sie in die Mottenkiste der Geschichte verstaut gehört. Nach knapp einer Stunde in Abwehrhaltung Umschalten auf Espace 2 zu Elektra von Richard Strauss, live aus Genf vom November 2010, dir. Stefan Soltesz Genève Orchestre de la Suisse Romande, nicht weil es mich interessiert hätte – mit Strauss bin ich im Reinen und habe aufgehört, ihn zu verfolgen – sondern weil ich nach sechs Stunden durchgehendem Fernsehsound nachmittags aus der unteren Nachbarwohnung keine solchen weiteren Töne mehr ertragen hätte (in Wirklichkeit war exakt zu diesem Zeitpunkt nichts zu hören, aber diese Narretei der Gewaltabwehr über den Rand hinaus ist fester Bestandteil des Wohnscheisses in Leibesnähe von Fernsehdebilen mit blosser rostiger Restverdrahtungen zwischen den Ohren). Obwohl mich das Hören nur entspannen und ablenken sollte und mir Strauss als feste Null gilt, der ich keine weitere Beachtung mehr schenken will, hat mich dieses Operngeschehen ziemlich in Beschlag genommen. Dank Wikipedia war ich schnell im Bild, und das Deutsch aus Genf war gut verständlich. Erst noch auf dem Nachmittagspaziergang, völlig abgelöst von diesem Zusammenhang, überlegte ich mir, was zu den Gründen gehört, die mich Strauss unerträglich erscheinen lassen, dass er sein überbordendes Talent missbraucht und in Wendungen verschleudert, die soviel Gehalt haben, wie eine Werbesprache erwarten lässt. Insbesondere bin ich allergisch auf musikalische Phrasen, die aus dem Heldenleben und dem Eulenspiegel stammen und die ich überall in seinem Werk wittere – und zur guten Überraschung hier nicht bestätigt finde. Dass aus dieser kontrolliert-explosiven Ästhetik, die mich weit progressiver dünkt als die dann des frühen Hindemith und mit Schönberg gut vergleichbar, erscheint mir als Rätsel, das vielleicht doch nicht als unlösbar zu den Akten abgelegt werden darf. Aber vielleicht hat man in Genf einfach besonders gut gesungen & gespielt, und in Tat & Wahrheit steht auch weiterhin nichts Besonderes dahinter. Man muss seinen Vorurteilen auch Glauben schenken können, wenn man sich von ihnen nicht unterkriegen lassen will.
Sonntag, 16. Januar 2011 um 4:57 am Themenbereich: Musik RSS 2.0 Both comments and pings are currently closed.