Glas de la musique

Spätestens Mitte der Neunzigerjahre waren zwei soziale Prozesse in ihrer höchsten Entfaltung begriffen, die in enger Korrespondenz zueinander stehen, der Neoloberalismus in der materiellen und spekulativen Ökonomie und der Pragmatismus mit der Verhöhnung jeder Anstrengung zur Theorie als geschichtsphilosophischer Anmassung, in der das Medium der Kritik als Ort des Ressentiments denunziert wird. So wie die sozialen Fragen zusammen mit denjenigen nach einem gerechteren Verhältnis zu den zerstörten Gesellschaften des Kolonialismus aus dem politischen Diskurs verschwanden, verkümmerte das Verständnis für die kritische Auseinandersetzung mit Kunst und Musik. Der Platz der grossen Werke wurde zur Spielstätte von Infantilität und Regression. Unglaublich, mit welcher Rasanz sich die Kritik von den Saubermännern der Kulturindustrie aus den angestammten Schauplätzen absaugen liess! Mit ihr verschwand indes auch das Sensorium dafür, was an Musik Geltung beanspruchen dürfe und was erst im Stadium des Herumpröbelns geschehen würde. Ein neuer Typus des Vermittlers passte sich diesen Gegebenheiten an und strebte danach, ihnen gerecht zu werden. Einer davon wirkt aufs Publikum wie der Totenglöckner der Musik, und man hält sich vorsorglich die Ohren zu über dem Unsinn, den er einem anpreisen will, für die Komponisten und Komponistinnen wie der Sensemann der Zeitgenössischen Kunstmusik: wer einen Anruf von ihm zwecks Interview bekommt, kann abdanken und sich getrost den Sarg zimmern – für hardcore Melomaniacs hat diese Musik ihren letzten Pfiff getan.

Donnerstag, 19. Februar 2009 um 5:27 am Themenbereich: Musik                 RSS 2.0 Both comments and pings are currently closed.

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