Bilderflut in der Diskurswüste
Das eigene Fotografieren passierte zwischen 1965 und 1990 nur sporadisch, nicht einmal hobbymässig. Die Technologie war insgesamt zu teuer als dass eine Prätention hätte heraufdämmern können. Alles war ein Geschehen auf dem Feld der allgemeinen Neugier wie es andere sich auf gleiche Weise durchs Warenangebot hatten angedeihen lassen. Ab 1995 wurde eine Kamera mit zusätzlichem Zoomobjektiv auf die regelmässigen Wanderungen mitgeschleppt, um dieselben nicht in depressives Umherirren abgleiten, dagegen umgekehrt die Absicht am Leben erhalten zu lassen, Bildmaterial für einen theoretischen Text übers Wallis herzustellen. Die Hauptarbeit war der Text mit den vielen Gängen auf die Landesbibliothek, das Fotografieren nur belebender Zusatz. Den Gegebenheiten entsprechend fand der Text 1999 seine Endfassung wie das Fotografieren auf Wanderungen in eine neue Form geriet, die die Mengenbeschränkungen überwand: die Apparatur wurde so leicht, dass permanent spontan fotografiert werden konnte, und die Herstellungskosten entfielen ganz, war die digitale Infrastruktur nur einmal installiert (einen digitalen Bildschirm, der eine optimale Farbanzeige garantiert und also nicht kalibriert werden muss, habe ich erst seit 2005). Trotzdem galt für lange Zeit die ernste Idee aus dem Analysekapitel, dass das Formenspiel der Alpen nicht dargestellt sondern bloss illustriert werden könnte und das Erleben desselben in situ geschehen müsste. In situ – weit ausserhalb der eigenen vier Wände und nie ohne Sack und Pack. Mit der Zeit scheint sich die ontologische Beschaffenheit dieses Platzes auf eigentümliche Weise transformiert zu haben. Nicht dass sich seine Notwendigkeit und Zwanghaftigkeit aufgelöst hätte, keineswegs. Eine Darstellung, die sich rezipieren und im Gedächtnis einheitlich repräsentieren liesse, ist immer noch verwehrt und das Einzelbewusstsein weiterhin darauf angewiesen, die Analyse selbst zu machen. Aber der Platz ist der nun einer Website, wo die simplen Bilder nah beieinander versammelt sind. Aus dem Mangel ist ein Überfluss geworden, der sich nicht nur der gängigen Überflussproduktion unverhoffter Weise anbiedert, sondern es wie ursprünglich auf den äusseren Plätzen den Rezipierenden verunmöglicht, das Dargestellte in einem Zug zu überfliegen. Die schiere Zahl gibt Gewähr dafür, dass auch dann, wenn prinzipiell jedem Menschen Recht auf Einsicht ins Gebilde der Walliser Gesellschaft gegeben wird, keiner vorschnell behaupten darf, die Analyse selbst damit auch schon vollzogen zu haben. Das Anstössige des Scheiterns in der Anschauung begründet nur um so leichter eine Hoffnung in die Einsicht der Unabgeschlossenheit des einzelnen begrifflichen und allgemeinen diskursiven Nachvollzugs.
Samstag, 15. Dezember 2007 um 10:33 am Themenbereich: Theorie RSS 2.0 Both comments and pings are currently closed.