Schamanismus

Es kann vorkommen, dass sich einem ein eigener Körperteil verändert und es einem lange Zeit verborgen bleibt, in was für eine Zielgerade der eigenmächtige Prozess schon eingespurt ist. Und es kann vorkommen, dass einem dabei Titanstäbe zu erscheinen beginnen wie Brennstäbe in Tschernobyl oder Fukushima, nicht mehr als Materialien, die für einen geschaffen wurden und da zur eigenen Energieumsetzung sein sollten, sondern als eigentliche Momente einer Logik des Zerfalls. Gestern betrat ich spontan eine Apotheke und kaufte mir anstelle einer flüssigen Droge aus dem Wallis eine Tube Crème, nach einer guten Beratung Hemeran von Novartis. Schnell nach Hause, der Arm wie seit langem ein Mal mit dem Handgriff am Hosengurt arretiert, ein anderes aufs Einbeinstativ gelegt, das durch die Riemenhalterung gestossen ein Tragen des Rucksacks ohne jede Schulterauflage erlaubt. Nicht nur klappt der Aufstrich auf das monströse, verfärbte Gebilde, das kein uneingeweihter Arzt ohne Schock zu beäugen vermöchte – nein, nach zwei Sekunden ist der Vulkanausstoss ausgebremst. Das Mittel wirkt, und zwar wie ein unverhofftes Zaubermittel, an dessen Existenz keiner je gedacht hätte, ein scheinbar vernünftiges Ich wie meines seit Beginn des Verfallganzen auf dem Säntis vor einem halben Jahr jedenfalls nie. Doch wo liegt der Zauber verborgen? In einer Substanz, in einem exzentrischen, schamanistisch überbegabten Menschen der Forschung oder in der Logik der Forschung insgesamt, die man nur lange genug ihrem Treiben überlassen muss, um alle Erfindungen und Entdeckungen geniessen zu können, die die Menschheit sich wünscht? Der Name Novartis, den man wegen der schieren Grösse dahinter nur in kritischem Sinne auszusprechen gewillt ist, bekommt in einer solchen Situation des Glücks eine eigentümliche Färbung, die auch auf die Gesellschaft im ganzen von ihrem Glanz verschenkt: dem gewöhnlichen Bürger ist es nicht durchschaubar, wie die Finanztransaktionen der grossen Wirtschaftskomplexe funktionieren, aber nur sie schaffen sporadisch und als Zusätze Bedingungen, in denen neue medizinische Materialien aufgespürt werden können, auf die heute viele mit trüber Sehnsucht nur zu schielen wagen.

Zusatz nach vier Tagen: Die Wirkung der Salbe besteht weniger im Dämpfen der Schmerzen als im Erzeugen eines wüsten Ausschlages.

Zusatz vier Wochen später

Dienstag, 21. August 2012 um 11:38 am Themenbereich: Kleine Medizin                 RSS 2.0 Both comments and pings are currently closed.

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