Twen in a hell

Albträume waren immer da. Im ersten Viertel der Zwanzigerjahre nahmen sie eine umwerfende Gestalt an und erschienen mindestens zweimal in der Woche ohne Unterbruch während sechs Jahren. Sie hörten erst dann auf – indes um so abrupter – als ein Unfall während einer Doktorparty geschah, der gut Moment ihrer Abläufe hätte sein können. Nachher erschienen sie auch in Stresszeiten nicht mehr. Ihre grosse Form war immer dieselbe: mindestens drei bis über fünf in sich abgeschlossene Geschichten, die mit dem Tod oder knapp davor endeten. Nicht selten erwachte der Träumende im Verlauf dieser Seriengeschichte, in einem Höllenschrecken, klar, um beim baldigen Einschlafen sich in der nächsten Horrorgeschichte wiederzufinden. Die Reihenfolge war beliebig, die Themen klar zu unterscheiden: Absturz in den Bergen, Bergabstürze oder Vulkanausbrüche, Höllengewitter (erinnernd an den Blitzschlag auf Elsigen mit dreitägig lahmem Bein), Erschiessen durch Militärs und Kommandos, Kriegszenen, Ertrinken in der Reuss, Aufwachen während einer Operation, Raketenangriffe (wenn es gut war auch mal mit UFO), Flugplatzunterspülung (der Primarschulweg war 1.5 Kilometer lang und ging auch über die Militärpiste), gewöhnliche Schulhausalbträume.

Donnerstag, 27. April 2006 um 10:11 am Themenbereich: Traum                 RSS 2.0 Both comments and pings are currently closed.

2 Kommentare für “Twen in a hell”

  1. ur schreibt:

    Ein Flash-Back ereignete sich erst 2002 nach der Schulteroperation. Auf einen Schlag wich das dumpfe Gefühl der Angstdepression einer mehrere Monate anhaltenden Euphorie, als die schöne Schwester Bianca im Aufwachraum mir unter mehr als 15 angeschlossenen Schläuchen und unter einem Oszillographen, der sich mehrmals erlaubte, alles flach und leblos zu zeigen, kundtat, dass alles gut gelaufen sei, der Tumor draussen, das Bein drinnen, und als besonderen Leckerbissen, aufs Rückenfleisch hätte man verzichten können. Nichtsdestotrotz setzte sofort ein Horrortrip ein, der sich jedesmal breit machte, sobald die Augen geschlossen wurden. Jede Menge Leute zeigten sich, Bekannte, Geliebte, Unbekannte – und alle verwandelten sie sich in monströse Gestalten, das Ganze in eine Welt von Hieronymus Bosch. Erst zwei Tage vor dem Absetzen des Morphiums fand ich den Schlüssel dazu, dieses eklige Phänomen für mich nutzbar zu machen. Da mit der Zeit der Horror nicht sofort nach dem „Einschlafen“ sich einstellte, sondern erst später die Traumszene verwandelte – und an Schlafen war während drei Wochen nicht zu denken, alles wurde zum Traum – versuchte ich vor dem Schliessen der Augen eine möglichst lange Szene mir auszudenken. Ein Spaziergang mit einer Geliebten in einem bekannten Gelände, wo ich mir jedes Detail zu vergegenwärtigen versuchte. Siehe da! Der Horror setzte genau an der Stelle eine, wo die Wachphantasie zu müde wurde, um sich weiterzuspinnen. Ha, daraus lässt sich mehr machen und weiteres, weil die Katerstimmung nicht zum aushalten war, wenn wieder eine Schöne sich in ein Monster verwandelte. Ab in die Eiswüsten der Abstraktion! Da die euphorische Stimmung in der Wachzeit nicht wenig Energie freisetzte, war es gar nicht unmöglich, gewöhnliche philosophische Fragestellung ins Gedächtnis zu rufen und so weit präzise zu exponieren, wie es die Schläfrigkeit eben zuliess. Nach dem Augenschliessen erfolgten die Gedanken ziemlich genau gemäss dem Verlauf im Wachzustand, als würde ein Vorgekochtes nun aufgewärmt. Als es fertig war, hatte wegen der Abstraktion der Horror nichts, wo er hätte aufsetzen können. Also dachten sich die Gedanken ihren kritischen Weg einfach weiter und weiter. Philosophie nicht selbst gemacht, sondern angeschaut. Die Intensität dieser Träume wurde zwar immer schwächer, doch noch drei Wochen nach dem Absetzen des Morphiums war das Gedankenspiel durchführbar. Der Horrortip bestand allerdings nicht nur aus furchteinflössenden Geschichten und Gestalten. Ebenso eklig wie lange Zeit nicht richtig identifiziert war die Pervertierung des Geruchssinnes. Schon bei Bianca war es zum Umfallen, nicht verwunderlich in der Hitze der Sommernacht. Auch nur kleinste Spuren von Gerüchen, die gesellschaftlich nicht optimal codiert sind, wuchsen zu Gaswolken aus, die mich zu ersticken drohten. Vollends verrückt wurde ich beim Realisieren, dass ein Grundgestank, dem ich ununterbrochen ausgesetzt war, von mir selbst ausging. – Bis ans Ende des Spitalaufenthalts klagte ich niemandem diesen Kummer; später sagte man mir, dass das nicht selten ein Begleitphänomen eines Horrortrips bei gewöhnlichem Drogenkonsum sei. Mit dem Verschwinden der schlechten Visionen sind dann aber auch die Gerüche wieder normalere Bahnen gegangen, vier Wochen nach dem Eingriff blieb nur das Eine: gut abgestützte und keineswegs schnell verpuffte Euphorie.