home

Inhaltsverzeichnis

6 Sitarschwierigkeiten

 

Dieser Abschnitt ist gänzlich das Produkt der bloß zweijährigen Sitarerfahrung eines Europäers, der zu Indien sich bislang nur träumerisch, zur abendländischen Musik hingegen wohlinformiert verhielt. Würde es zuwege gebracht, dass auch nur eine der nicht wenigen Sitars, die in einem Koffer oder an eine Wand gestellt ein öde-staubiges Dasein fristen, zu neuem Leben erweckt wird, wäre sein Zweck erfüllt. Denn es scheint, dass es weniger an der Musikalität oder am Verständniswillen für eine Musik aus der Fremde liegt, wenn Sitarneulinge sich ob der Schwierigkeiten entmutigen lassen, als an recht trivialen Stolpersteinen, die mit nur wenigen Informationen sich schon aus dem Weg räumen lassen. [1]

 

Welche Materialen werden vorausgesetzt?

 

Mit den oben erwähnten Cembalostahl- und Bronzesaiten ist die Sitar gut klingend gestimmt, wenn der Grundton beim Stimmen in Querlage auf einem cis festgelegt wird; pa ist dann ein gis, die Spielsaite ma ein fis. Von oben nach unten hat man als erstes eine fis-Saite, eine nächsttiefere auf cis, noch tiefer eine auf gis und noch einmal tiefer wieder eine auf cis. Dann folgt eine Chikarisaite ein Ton höher als die Spielsaite, also gis, dann eine höher auf cis, schließlich eine noch eine Oktave höher, wiederum cis. Mit dem Stimmgerät lässt sich feststellen, dass die Sitars, wie man sie auf den Compact Discs zu hören bekommt, im Grundton von einem b bis zu einem d variieren.

 

Quer gestellt klingen wegen des schwächeren Saitenspannungszugs fast alle Saiten um ca. fünf Cent tiefer. Dies ist bei einem Zusammenspiel mit anderen Instrumenten, z. B. einer Tamboura, zu berücksichtigen. Die tiefste Saite, die besondere Mucken pflegt, lässt sich problemlos bei aufgestelltem Instrument stimmen, auch während des Spiels.

 

Die Resonanzsaiten ergeben normalerweise die stetig fallende Tonreihe des Ragas, die tiefsten drei Saiten bestehen mit einer Wechselnote ni aus zwei sa. Prioritär ist bei jeder Resonanzsaitenstimmung ein gutes Anspringen der Saiten auf einen mit der Spielsaite angeschlagenen Ton; dies ist vom Verhältnis der Länge zur Spannung abhängig. Folglich hat man sich vor einer Entmutigung zu hüten, wenn entweder die Resonanzsaiten wegen zu großer Spannung reißen oder sie einfach nicht klingen wollen. Es bleibt dann nichts anderes übrig, als mit der idealen Reihenfolge zu brechen und experimentell auszuprobieren, welche Saite bei welchem Ton am leichtesten den gewünschten Resonanzklang produziert.

 

Die Bünde sind wie folgt positioniert, wenn die Spielsaite ma ein fis ist: bis zum cis (sa) hat jeder Halbton einen eigenen Bund, dann kommt nur einer allein für zwei Halbtöne, dann wieder bis zum gis (pa) für jeden Halbton ein Bund, dann einer für zwei, dann drei für die drei Halbtöne bis zum hohen cis (sa), dann noch zwei Bünde für d, dis, e, eis. Falls auf der Sitar immer die gewöhnlichen, das heißt reinen Intervalle gespielt werden, müssen nur die Bünde für die Töne shuddha re und komal re, shuddha dha und komal dha sowie für re und ga im obersten Bereich jeweils neu positioniert werden. Die Lücken bieten den Vorteil, an bestimmten Stellen bequem den seitlichen Saitenzug zu spielen: meend.

Falls die Shrutis nach Daniélou gespielt werden, stimmt man zuerst die Resonanzsaiten, die wie die übrigen bei der Querstellung fünf Cent tiefer klingen, also mit dem Stimmgerät normal gestimmt werden können. Dann verschiebt man die Bünde und zupft die Spielsaite, bis jene von alleine erklingen. Manchmal müssen einzelne Bünde auch während des Spiels leicht verschoben werden.

Es kommt vor, dass überhaupt nichts stimmen will: man kontrolliert mit dem Stimmgerät die Resonanzsaiten und auch die Bünde – und dennoch stellt sich kein guter Klang ein. Möglicherweise muss zumindest die Spielsaite ausgewechselt werden. Meistens ist es aber so, dass die unpräzise Stimmung einer Bordunsaite, auf der vielleicht nicht einmal gespielt wird, die Misere produziert; denn das macht den großen Ton der Sitar, dass die vielen Saiten die Obertonproduktion verstärken, wenn sie selbst schon in einem solchen Verhältnis stehen. Man muss dann bei normal auf den linken Fuß aufgesetztem Instrument diese Saiten spielen und gleichzeitig vom Gehör her stimmen. Wenn die Sitar daraufhin wieder quer gestellt und mit dem Stimmgerät kontrolliert wird, wundert man sich, dass die Stimmung nicht schon von Anfang her so erfolgte. – Eine andere mögliche Ursache für schlechte Intonationen ist der Knochenstaub, der sich auf dem Steg unter den Saiten bildet; er wird ganz einfach von Zeit zu Zeit weggeblasen.

 

Falls die Bünde zwischen den kleinen Seitenwirbeln nicht so positioniert werden können, dass ohne zusätzliches seitliches Ziehen (meend) die Töne gegriffen werden können, ist der Steg falsch geschliffen oder sogar in seiner Position verschoben. Die Saite muss relativ weit hinten auf den Knochen aufliegen. Zu feilen (djovari) hat man meist nur die vordere Hälfte des Stegs.

Da die Bünde und der Steg nicht gut schräg gestellt werden können, besteht die Feineinstellung aller Saiten, die nicht nur leer als Bordun erklingen, eben im Feilen des Stegs. Wenn die Töne der zweiten Saite zu hoch sind, muss der Steg bei dieser Stelle von hinten bis vorne abgefeilt und erniedrigt werden, sodann im vorderen Teil so weit kunstvoll geschliffen, dass die Saite bei möglichst allen gespielten Tönen mit möglichst vielen Obertönen erklingt.

Eine zusätzliche Schwierigkeit ergibt sich beim Djovari, dem Feilen des Stegs als dem Lebensatem des Instruments dadurch, dass es beim Wechsel auf eine neue Saitenqualität gänzlich unvorhersehbar reagiert. Das Provisorium ist ihm wie allem Lebendigen eigentümlich.

Inhaltsverzeichnis



[1] Weiß der Teufel, aber in dieser kalten Stadt ist ein Sitar-Baby schon den Fäusten seines Peinigers auf der Aare davongeschwommen.

 

home