München 1916
Ohne große Bezugnahme auf Kantische oder gar nachkantische Texte wird dem Aufbau der KdV Dogmatismus, Zirkelschlüssigkeit und Inkonsequenz vorgeworfen, entstanden durch den Abbruch der Durchführung der guten Ansätze der transzendentalen Deduktion in der ersten Auflage, wo sich die Empiriefeindlichkeit Kants noch weniger ausgeprägt zeigt. Namentlich als Stein des Anstoßes gilt das Ding an sich, die Supposition einer Wirklichkeit außerhalb der Bewusstseinswirklichkeit (Adorno wird später diese Einschätzung rückgängig machen). Denn gerade in derselben müsse die Erkenntnistheorie ihre Grundlagen ausmachen, wenn sie frei von Willkür bleiben wolle, weil das voraussetzungsfrei Gegebene doch dem Bewusstsein gegeben sei. Folglich leitet sich die transzendentale Systematik aus der Einheit des persönlichen Bewusstseins ab, die selbst nicht begriffen werden kann (264).
Das Bewusstsein enthält zwei Arten von Erlebnisbestandteilen, die gewöhnlich nicht klar distinkt gegeben sind, 1. die Erlebnisbestandteile a, b, c … als die phänomenalen Eindrucksbestandteile mit gegenwärtig unmittelbar gegebenen Gegenständen, im heutigen Sprachgebrauch die Qualia und 2. die Erlebnisbestandteile a, b, c… als die symbolischen bzw. dinglichen Vorstellungsbestandteile mit gegenwärtigem Wissen von Gegenständen, die nicht gegenwärtige Erlebnisse sind. (64)
In Ableitung dieser Bewusstseinsgegebenheiten zeigen sich zwei Arten der begrifflichen Formung des Gegebenen. (105-108) Es gibt das Wiedererkennen eines einfachen oder komplexen Eindrucks in den Arten der ersten Kategorie als phänomenale Begriffsbildung bzw. Prädikation, wo der Eindruck mit früheren Gegenständen als ähnlich erkannt wird ohne Rücksicht auf deren Stellung im Zusammenhang weiterer Komplexe und es gibt das Wiedererkennen eines einfachen oder komplexen Eindrucks in den Arten der zweiten Kategorie als dingliche Begriffsbildung bzw. Prädikation, wo die ähnlichen Gegenstände im früheren und jetzigen Zusammenhang gesehen werden im Sinne der Falsifikation von Gesetzmäßigkeiten.
Das Erkennen der Gestaltqualitäten ist eine transzendentale Gesetzmäßigkeit, und sie sind selbst Gesetzmäßigkeiten, allerdings wissenschaftlich unbestätigte. Es fragt sich aber, ob sie nicht die sachliche Exposition des Gegebenen verhindern und auf das Vermögen der Identitätswahrnehmung reduziert werden müssten.
Mit dem Ersatz des Dinges an sich durch das Individualgesetz entsteht bei Cornelius zunächst ein Erkenntnisoptimismus, dem sich alsdann dadurch eine Art Popperscher Skeptizismus beigesellt, dass jedes Gesetz bzw. jede postulierte Gesetzmäßigkeit durch neue Erlebniszusammenhänge falsifiziert bzw. erweitert oder verändert wird. Er sieht sich selbst gern in der Nähe des frühen Husserl, lehnt die Verstiegenheit (mein Wort) des späten ab.
24. 7. 1996