scribbles-disco




Ueli Raz
Scribble's errancing
Disco 1 (bis März 2006)
Disco 2
Disco 3 (ab Mai 2006)

Archive ab August 2005



November 2005
SMDMDFS
  12345
6789101112
13141516171819
20212223242526
27282930   



Nur in Scribble's errancing:


Notizbuchforum
Home » Archive » November 2005 » Halbwertszeit einer Kinderzeichnung

[Vorangehender Eintrag: "Funny Googlism"] [Nachfolgender Eintrag: "Für den Apfel"]

28. 11. 2005: "Halbwertszeit einer Kinderzeichnung"


Als der Erstklässler Anfang der Sechzigerjahre bei einem Zeichnungswettbewerb einen der ersten Preise erhielt, konnte er nicht wissen, ob dies wegen der Qualität der Farbzeichnung geschah oder wegen der moralischen Aussage: Am Waldrand picniquen zwei Pärchen auf je einer Bank sitzend. Um die eine Bank herum liegen die Abfälle dieser Essenden (und wahrscheinlich solche noch von vielen Vorgängern), um die andere herum sind keine Dreck- und Abfallspuren auszumachen. Wer meint, das eine Paar sei eben in Fragen des Umweltbewusstseins noch auf einem tiefen Niveau, während das andere sich auf einem hohen sonnen darf, irrt. Denn das Bild enthält einen deutlichen Zusatz: Bei der zweiten Sitzbank ist ein Abfallkorb zur Seite gestellt, während er bei der ersten ebenso augenfällig fehlt.

Die Idee, gesellschaftliche Arbeit in den Bereich des nicht absolut Notwendigen zu verlagern, in die weite Landschaft der Echos urgeschichtlicher Opfergaben und jedenfalls, so sagt, wer zwischen Kaserne und Flugplatz aufgewachsen ist, immer schon: weg vom Militärischen, hat die ganze Biografie nie verlassen, und in den westeuropäischen Gesellschaften hat sie sich bekanntlich im Geschichtsverlauf förmlich materialisiert und wurde bis Mitte der Achtzigerjahre beinahe zur wahren Selbstverständlichkeit.

Im Zuge des sehr wohl vermeidbaren, aber im gesellschaftlichen Wandel von der Demo- zur Stupidokratie herbeigesehnten Neoliberalismus hat sie an Glanz eingebüsst, weil die neuen aggressiven Herrschenden sie mit ihren Stiefeln der Wichtigtuerei traten und so allgemein der Lächerlichkeit preisgaben. Ihr Zerfall setzt bis auf weiteres eine ungeheure Masse an Arbeitslosen frei, die es aber nur sind durch eigene Schuld, durch Zurückhaltung auf dem Feld der Eigeninteresse. Die das ausspricht, die faschismustolerante Betriebswirtschaft, gehorcht nur dem einen Triebziel, was einst Vernunft hiess von allem Substanziellen freizumachen. Konstruktion, Bau und Unterhalt von Gebilden, die nicht unmittelbar der Geldverwertung dienen, sind im gestohlenen Namen der Vernünftigkeit bis zum äussersten zu vermeiden; wo daraus Unrat & Unflat entstehen mögen, kann immer noch, so gesellschaftskonform dünken sich ihre heroischen Funktionsträger, an die Moral der Einzelnen appelliert werden. Das kleine Kind durchschaute eben dies: man kann objektiv es nicht.






Ur    Lala   Tsi ("Doggy") Dong