"Ça glisse!"

Weil zwischen dem frühen und späteren Nachmittagsbus von Vercorin nach Sierre vier Stunden lang Flaute herrscht und ich die Seilbahn-Bus-Verbindungen nicht vorausstudiert hatte, sputete ich mich von Chèquet via Orzival und Tracui Richtung Vercorin, im oberen Teil häufig in Schneeplätzen. Kurz vor Vercorin bei der Kreuzung 1570 dann eine Szenerie, die einem nur aus Alpträumen vertraut ist: fünf Meter nach der Kreuzung auf meinem Weg vier übereinandergeschichtete, frisch gefällte Tannen (grün eingezeichnet), auf dem Ausweichweg ein fast zehn Meter hoher Mikadostoss frisch entasteter dicker Stämme (gelb), ganz links ohne Zwischenraum steiler Wald aufwärts, rechts dasselbe abwärts. Zwei Riesen grüssen, amüsiert über den Eindringling in ihre Verbotszone. Ab jetzt alles französisch zu lesen. "Nach Vercorin kein Durchgang. Achtung, schauen Sie geradeaus!" Eine Riesentanne kippt auf uns zu, mit den Ästen wippend wie ein noch nicht ganz flügge gewordener Jungstar. Der Wipfel wischt den Boden einen Meter vor unseren Schuhen auf. Einer der Riesen schaut mich an. "Nun, welchen Weg wählen Sie, rechts fünf Meter hoch über die frischen Tannen oder links über die zehn Meter hohe kreuz und quer geschichtete Wand aus Stämmen?" In einem Traum wäre ich jetzt erwacht. Hier aber zeige ich auf die linke Seite. "Okay, ich komme mit. Ça glisse! Immer genau darauf achten, dass kein Schuh auf eine Stelle ohne Rinde tritt!" Ich mache einen Test in Bodennähe, wo es mir noch nicht gefährlich scheint: der Stamm ist rutschiger als eine glatte Eisfläche... Der Riese, dem ich meine Behinderung klarmachen muss, nimmt mich an der rechten Hand und führt mich gekonnt bis zuoberst und einen Meter darüber hinaus. Ich habe Vertrauen in die Baumstämme gewonnen und steige die Wand bis zum Boden hinunter und von dort nochmals das steile Bord hinab bis zum richtigen Weg. Ich schaue zurück und sehe den Riesen weit weg in der Himmelsferne auf den Baumstämmen: "Merci bien encore une fois!" Nachher muss ich dreimal Schranken mit eindringlichen Gehverboten und Warnungen überwinden, aber oben auf Tracui war ich keinem einzigen Zettel oder Hinweis begegnet, als ob es für die Strecke Grimentz-Vercorin ganz einfach noch nicht vorstellbar wäre, dass einer sie ginge. - Die Zeit in Vercorin reichte zwar nicht mehr für ein Panorama mitten im Dorfkern, aber immerhin gab es noch ein improvisiertes schwächeres und doch so, dass der Bus nicht hat verfehlt werden müssen.